Veröffentlicht am Mai 10, 2024

Globale Gesundheitskrisen sind keine fernen Probleme, sondern direkte Konsequenzen eines vernetzten Systems, in dem Deutschland eine Schlüsselrolle spielt.

  • Das „One Health“-Prinzip zeigt: Die Zerstörung von Ökosystemen durch menschliches Handeln erhöht das Pandemierisiko direkt vor unserer Haustür.
  • Deutscher Konsum, beispielsweise bei Kaffee oder Baumwolle, hat messbare negative Auswirkungen auf die Wasserressourcen und die Gesundheit in anderen Ländern.

Empfehlung: Gesundheitspolitik muss global, systemisch und über Ressortgrenzen hinweg gedacht werden – sie beginnt bei der Umwelt- und Wirtschaftspolitik.

Die Welt fühlt sich zunehmend von Krisen überwältigt: Eine neue Virusvariante taucht auf, Hitzerekorde werden gebrochen, und Bilder von Dürren oder Überschwemmungen dominieren die Nachrichten. Schnell entsteht der Eindruck, es handle sich um isolierte, weit entfernte Probleme. Der gängige Lösungsansatz lautet oft, man müsse mehr Entwicklungshilfe leisten oder die internationale Zusammenarbeit stärken. Diese Perspektive, obwohl gut gemeint, greift jedoch zu kurz. Sie übersieht die tiefen, strukturellen Verbindungen zwischen unserem eigenen Handeln und der globalen Gesundheitslage.

Doch was, wenn die wahre Ursache nicht nur ein Mangel an Ressourcen in armen Ländern ist, sondern ein System, das Ungleichheit aktiv produziert? Was, wenn unser Lebensstil, unsere Wirtschaft und unsere Politik Teil des Problems – und damit auch der Lösung – sind? Dieser Artikel wählt bewusst einen anderen Blickwinkel. Anstatt globale Gesundheit als Akt der Nächstenliebe zu betrachten, analysieren wir sie als eine Frage der systemischen Verantwortung und des nationalen Eigeninteresses, gerade für eine global vernetzte Nation wie Deutschland. Es geht nicht darum, Schuld zuzuweisen, sondern darum, die Kausalzusammenhänge zu verstehen.

Wir werden untersuchen, wie die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt untrennbar miteinander verbunden ist (das „One Health“-Prinzip). Wir analysieren, wie der Klimawandel zur Gesundheitskrise wird, wie unser Konsum andernorts Wasserknappheit verursacht und wie die großen Krisen unserer Zeit – Klima, Viren und Flucht – sich gegenseitig verstärken. Ziel ist es, ein tiefes Verständnis für die komplexen Abhängigkeiten zu schaffen und zu erkennen, warum eine zukunftsfähige Gesundheitspolitik bereits bei der Umwelt-, Wirtschafts- und Außenpolitik beginnen muss.

Dieser Artikel bietet eine tiefgehende Analyse der komplexen Zusammenhänge, die die globale Gesundheit heute prägen. Der folgende Sommaire gibt Ihnen einen Überblick über die Schlüsselthemen, die wir untersuchen werden, um ein umfassendes Bild der Herausforderungen und Verantwortlichkeiten zu zeichnen.

Warum die nächste Pandemie im Regenwald beginnt: Das „One Health“-Prinzip einfach erklärt

Die COVID-19-Pandemie hat der Welt schmerzhaft vor Augen geführt, wie schnell ein lokaler Krankheitsausbruch zu einer globalen Krise eskalieren kann. Der Ursprung vieler neuer Infektionskrankheiten liegt an der Schnittstelle von Mensch, Tier und Umwelt. Genau hier setzt das „One Health“-Prinzip an: Es erkennt an, dass die Gesundheit von Menschen untrennbar mit der Gesundheit von Tieren und der Integrität von Ökosystemen verbunden ist. Wenn wir Wälder roden, um landwirtschaftliche Flächen zu schaffen, oder Wildtiermärkte betreiben, erhöhen wir die Kontaktwahrscheinlichkeit zwischen Wildtieren, Nutztieren und Menschen. Dadurch schaffen wir ideale Bedingungen für Zoonosen – Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen überspringen.

Dieses Verständnis verändert die Pandemievorsorge fundamental. Anstatt nur auf die Entwicklung von Impfstoffen zu reagieren, wenn eine Krankheit bereits da ist, rückt die Prävention in den Fokus. Es geht darum, die Ursachen an der Wurzel zu bekämpfen: den Schutz von Lebensräumen, die Überwachung von Wildtierpopulationen und die Stärkung von veterinärmedizinischen Systemen. Dies ist kein reiner Altruismus, sondern ein Akt des nationalen Eigeninteresses. Die Investition in globale Gesundheitssicherheit ist weitaus kostengünstiger als die Bewältigung einer ausgewachsenen Pandemie. Deutschland hat diese systemische Verantwortung erkannt und investiert erheblich in die globale Pandemievorsorge, unter anderem mit 169 Millionen Euro für den Pandemic Fund der Weltbank.

Fallbeispiel: Deutschlands Engagement für One Health in der Praxis

Deutschland treibt den One-Health-Ansatz aktiv auf politischer Ebene voran. 2021 wurde ein informelles ministerielles Netzwerk gegründet, um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ressorts wie Gesundheit, Landwirtschaft und Umwelt zu stärken. Konkret unterstützt die deutsche Regierung beispielsweise die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) dabei, regionale Systeme zur Pandemieprävention aufzubauen, die den One-Health-Ansatz fest integrieren und so die Frühwarnsysteme für Zoonosen verbessern.

Die Logik ist einfach: Ein gesunder Planet mit stabilen Ökosystemen ist die beste Versicherung gegen die nächste Pandemie. Jede Maßnahme zum Schutz der Biodiversität ist somit auch eine direkte Investition in unsere eigene Gesundheit und Sicherheit.

Wie der Klimawandel krank macht: Die direkten und indirekten Gesundheitsfolgen der Erderwärmung

Der Klimawandel ist nicht nur eine Umweltkrise, sondern zunehmend eine der größten Gesundheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts. Die Auswirkungen sind vielfältig und betreffen Menschen weltweit, auch in Deutschland. Direkte Folgen sind etwa die Zunahme von Extremwetterereignissen. Hitzewellen belasten das Herz-Kreislauf-System, führen zu Dehydration und können insbesondere für ältere Menschen, chronisch Kranke und kleine Kinder lebensbedrohlich sein. Eine aktuelle DAK-Studie von 2024 zeigt, dass sich bereits 23 Prozent der Beschäftigten in Deutschland während Hitzewellen bei der Arbeit stark belastet fühlen.

Dieses Bild verdeutlicht die besondere Anfälligkeit verletzlicher Gruppen während extremer Hitzeperioden und unterstreicht die Notwendigkeit generationenübergreifender Solidarität und präventiver Maßnahmen.

Ältere Menschen und Kinder während einer Hitzewelle in Deutschland

Doch die indirekten Folgen sind oft noch weitreichender. Steigende Temperaturen begünstigen die Ausbreitung von Vektoren wie Mücken und Zecken, die Krankheiten wie das Dengue-Fieber oder die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) in neue Regionen tragen. Auch die psychische Gesundheit leidet: Die Sorge vor der Zukunft, die sogenannte „Klima-Angst“, oder die Traumatisierung durch den Verlust des eigenen Heims nach einer Flutkatastrophe sind reale und wachsende Probleme. Darüber hinaus gefährden Ernteausfälle durch Dürren die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen und können zu Mangelernährung und damit verbundenen Gesundheitsproblemen führen. Der Klimawandel wirkt somit als Risikoverstärker, der bestehende gesundheitliche und soziale Ungleichheiten weiter verschärft.

Die Anpassung der Gesundheitssysteme an diese neuen Herausforderungen – von Hitzeschutzplänen in Städten bis zur Schulung von Ärzten für klimabedingte Krankheiten – wird zu einer zentralen Aufgabe für die öffentliche Gesundheitspolitik in Deutschland und weltweit.

Sauberes Wasser ist kein Luxus: Die globale Gesundheitskrise, über die zu wenig gesprochen wird

Während Pandemien und Klimawandel die Schlagzeilen beherrschen, schwelt eine stille, aber ebenso tödliche Krise im Verborgenen: der mangelnde Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Für Milliarden von Menschen ist dies tägliche Realität und eine der größten Ursachen für Krankheiten. Verunreinigtes Wasser ist ein Nährboden für Krankheitserreger, die Cholera, Typhus und Durchfallerkrankungen verursachen – Krankheiten, die in Industrienationen längst besiegt schienen, aber in vielen Teilen der Welt weiterhin eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern sind. Ohne sauberes Wasser ist grundlegende Hygiene, etwa das Händewaschen, unmöglich, was die Ausbreitung von Infektionen weiter beschleunigt.

Diese Krise ist eng mit unserem globalisierten Wirtschaftssystem und unserem Konsumverhalten verknüpft. Viele Produkte, die wir täglich nutzen, werden in Regionen mit hoher Wasserknappheit hergestellt. Dieses „virtuelle Wasser“, das für die Produktion von Gütern verbraucht und mit ihnen exportiert wird, verschärft die Wasserproblematik in den Anbauländern. Damit tragen wir in Deutschland eine indirekte Verantwortung für die Belastung lokaler Wasserressourcen und die damit verbundenen Gesundheitsfolgen. Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch den enormen Wasser-Fußabdruck einiger Importgüter.

Virtueller Wasserverbrauch ausgewählter Importgüter
Produkt Virtueller Wasserverbrauch Hauptherkunftsländer Lokale Auswirkungen
Kaffee (1 kg) 18.900 Liter Brasilien, Vietnam Wasserknappheit in Anbauregionen
Baumwolle (1 kg) 10.000 Liter Indien, Pakistan Grundwasserabsenkung
Avocado (1 kg) 1.000 Liter Peru, Chile Konflikte um Wasserrechte

Die Erkenntnis, dass ein Kilo Kaffee fast 19.000 Liter Wasser benötigt, rückt den morgendlichen Genuss in ein neues Licht. Eine nachhaltige globale Gesundheitspolitik muss daher auch Handelsbeziehungen und Lieferketten in den Blick nehmen. Es geht darum, soziale und ökologische Standards zu fördern, die sicherstellen, dass unser Wohlstand nicht auf Kosten der Gesundheit und der Lebensgrundlagen anderer geht.

Zwischen Infektion und Infarkt: Die doppelte Krankheitslast der Schwellenländer

Viele Schwellen- und Entwicklungsländer stehen vor einer besonders perfiden Herausforderung: der sogenannten doppelten Krankheitslast (Double Burden of Disease). Einerseits kämpfen ihre oft unterfinanzierten Gesundheitssysteme weiterhin gegen klassische Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Malaria oder HIV/Aids. Andererseits nehmen die nicht-übertragbaren Krankheiten (NCDs) rasant zu – also Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und chronische Atemwegserkrankungen. Diese Entwicklung wird durch die Globalisierung von Lebensstilen befeuert: verarbeitete, zucker- und fettreiche Lebensmittel, weniger körperliche Bewegung und steigender Tabak- und Alkoholkonsum.

Diese „importierten“ Lebensstile treffen auf eine Bevölkerung, die oft noch unter den Folgen von Mangelernährung in der Kindheit leidet, was das Risiko für NCDs im Erwachsenenalter zusätzlich erhöht. Die Gesundheitssysteme sind auf diese doppelte Belastung nicht ausgelegt. Ein Patient mit Diabetes benötigt eine lebenslange, kostspielige Behandlung, die Ressourcen bindet, die gleichzeitig für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten fehlen. Diese komplexe Gemengelage erfordert integrierte Ansätze, die Prävention und Behandlung von NCDs mit den bestehenden Programmen für Infektionskrankheiten verbinden.

Fallbeispiel: Integrierte Ansätze in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) zeigt in ihrer Arbeit in mehreren afrikanischen Ländern, wie ein integrierter Ansatz aussehen kann. Da fast alle dort auftretenden Krankheiten Zoonosen sind, nutzt die Organisation Synergien zwischen Human- und Veterinärmedizin. Dieser One-Health-Ansatz dient nicht nur der Bekämpfung akuter Ausbrüche, sondern stärkt die Gesundheitssysteme nachhaltig, um sowohl auf Infektionen als auch auf die wachsende Zahl chronischer Leiden reagieren zu können.

Ihr Aktionsplan: Wie Deutschland die doppelte Krankheitslast bekämpft

  1. Unterstützung bei der Erstellung nationaler Krisen- und Notfallpläne in Partnerländern.
  2. Förderung der Zusammenarbeit zwischen Human- und Veterinärmedizin zur Früherkennung von Zoonosen.
  3. Investition in Frühwarnsysteme, um Krankheitsausbrüche schneller einzudämmen.
  4. Stärkung lokaler Gesundheitssysteme durch gezielte Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme für medizinisches Personal.
  5. Integration des One-Health-Ansatzes in die nationalen Gesundheitsstrategien der Partnerländer.

Wer zahlt für Gesundheit? Ein verständlicher Vergleich globaler Gesundheitssysteme

Die Frage, wie Gesundheitsversorgung organisiert und finanziert wird, ist eine der zentralsten politischen Entscheidungen eines jeden Staates. Global gesehen gibt es kein Einheitsmodell. Die Systeme reichen vom beitragsfinanzierten Sozialversicherungsmodell wie in Deutschland (Bismarck-Modell) über steuerfinanzierte nationale Gesundheitsdienste wie im Vereinigten Königreich (Beveridge-Modell) bis hin zu stark privatisierten, marktgesteuerten Systemen wie in den USA. Jedes Modell hat spezifische Vor- und Nachteile in Bezug auf Zugangsgerechtigkeit, Kosten und Qualität.

In vielen Ländern mit niedrigem Einkommen existiert oft gar kein formales System. Die Gesundheitsversorgung muss dort direkt aus eigener Tasche bezahlt werden („Out-of-Pocket“). Dies führt zu einer katastrophalen Ungerechtigkeit: Eine schwere Krankheit bedeutet für viele Familien den finanziellen Ruin. Der Aufbau universeller Gesundheitssysteme, die allen Bürgern unabhängig von ihrem Einkommen Zugang zu grundlegender Versorgung garantieren, ist daher ein zentrales Ziel der globalen Gesundheitspolitik. Dies erfordert nachhaltige Finanzierungsmechanismen, die nicht allein von externer Hilfe abhängen.

Dabei ist das deutsche Modell keineswegs eine universelle Blaupause. Wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) treffend analysiert, ist die Übertragung solcher komplexen Strukturen oft nicht zielführend. Die Expertinnen und Experten der SWP halten in einer Analyse zur globalen Gesundheitsgovernance fest:

Das deutsche duale System aus GKV und PKV ist für viele Länder ungeeignet, weshalb in der deutschen Entwicklungspolitik alternative Modelle gefördert werden.

– Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell zur globalen Gesundheitsgovernance

Anstatt also das eigene System zu exportieren, konzentriert sich eine kluge Entwicklungspolitik darauf, Partnerländer beim Aufbau maßgeschneiderter, lokal angepasster und nachhaltig finanzierter Gesundheitssysteme zu unterstützen. Es geht darum, die Prinzipien der Solidarität und Universalität zu verankern, nicht eine bestimmte institutionelle Struktur.

Klima, Viren, Flucht: Wie die drei großen globalen Krisen zusammenhängen und unsere Zukunft formen

Die großen Herausforderungen unserer Zeit – die Klimakrise, die Bedrohung durch Pandemien und die zunehmende globale Migration – sind keine getrennten Phänomene. Sie sind tief miteinander verwoben und verstärken sich gegenseitig in einem Teufelskreis. Der Klimawandel agiert hierbei als ein massiver Treiber: Lang anhaltende Dürren, die Verwüstung von Ackerland und der Anstieg des Meeresspiegels zerstören Lebensgrundlagen und zwingen Millionen von Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Diese Klimaflüchtlinge sind auf ihrer Reise und in überfüllten Lagern oft katastrophalen hygienischen Bedingungen und einer mangelhaften Gesundheitsversorgung ausgesetzt, was sie extrem anfällig für Infektionskrankheiten macht.

Gleichzeitig treibt die Zerstörung von Ökosystemen, die sowohl dem Klima schadet als auch durch den Klimawandel beschleunigt wird, das Pandemierisiko in die Höhe. Wenn Menschen und Wildtiere auf immer engerem Raum zusammenleben, steigt die Gefahr von Zoonosen. Eine solche neue Krankheit kann sich unter den prekären Bedingungen von Flucht und Vertreibung rasant ausbreiten und durch globale Reise- und Handelsströme schnell zu einer weltweiten Bedrohung werden. Eine Befragung der bpb zeigt, dass diese Sorgen auch in Deutschland angekommen sind: 58% der Deutschen sind sehr oder extrem besorgt über den Klimawandel und seine Folgen.

Diese importierten Risiken belasten auch die Gesundheitssysteme der Aufnahmeländer, wie hier in Deutschland, die sich auf neue Krankheitsbilder und eine diverse Patientenschaft einstellen müssen.

Wartende Menschen vor einer deutschen Gesundheitseinrichtung mit diversen kulturellen Hintergründen

Diese Verflechtungsanalyse macht deutlich, dass eine isolierte Politik zum Scheitern verurteilt ist. Klimaschutz ist Pandemieprävention. Pandemieprävention ist humanitäre Politik. Und eine faire Migrationspolitik muss die Ursachen von Flucht – allen voran die Klimakrise – adressieren. Eine zukunftsfähige Politik erkennt diese Krisen als unterschiedliche Facetten desselben systemischen Problems und entwickelt integrierte Lösungsstrategien.

Gift in unserer Umwelt: Die unsichtbare Bedrohung durch chemische Verschmutzung

Neben den sichtbaren Krisen wie Pandemien und Klimawandel gibt es eine unsichtbare, schleichende Bedrohung für die globale Gesundheit: die chemische Verschmutzung unserer Umwelt. Industrie, Landwirtschaft und Konsumgüter setzen eine Vielzahl von Substanzen frei, die sich in Luft, Wasser, Böden und letztlich in unserer Nahrungskette anreichern. Dazu gehören Pestizide, Schwermetalle, Mikroplastik und langlebige organische Schadstoffe wie die per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS).

Diese „ewigen Chemikalien“, wie PFAS auch genannt werden, sind aufgrund ihrer extremen Stabilität ein besonders besorgniserregendes Beispiel. Sie werden in unzähligen Produkten verwendet, von beschichteten Pfannen über Outdoor-Kleidung bis hin zu Feuerlöschschaum. Einmal in die Umwelt gelangt, bauen sie sich praktisch nicht mehr ab und kontaminieren Trinkwasserquellen und landwirtschaftliche Flächen auf Jahrzehnte. Die gesundheitlichen Folgen einer langfristigen Exposition sind gravierend: Sie reichen von einer Schwächung des Immunsystems über hormonelle Störungen bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko. Die Belastung ist global, aber die Auswirkungen sind oft sehr lokal spürbar.

Fallbeispiel: PFAS-Kontamination in Deutschland

Die Bedrohung durch „ewige Chemikalien“ ist keine abstrakte Gefahr, sondern längst in Deutschland angekommen. In Regionen wie Rastatt in Baden-Württemberg oder im Arnsberger Wald in Nordrhein-Westfalen wurden erhebliche PFAS-Belastungen im Boden und Grundwasser nachgewiesen. Diese Kontaminationen stellen eine langfristige Gesundheitsgefahr für die lokale Bevölkerung dar. Die Sanierung der betroffenen Gebiete gestaltet sich als extrem schwierig und kostspielig und stellt die Behörden vor immense Herausforderungen, was die Notwendigkeit strengerer Regulierungen und eines vorsorgenden Chemikalienmanagements unterstreicht.

Der Kampf gegen die chemische Verschmutzung erfordert ein Umdenken auf mehreren Ebenen: strengere internationale Regulierungen wie das Verbot besonders gefährlicher Substanzen, die Förderung nachhaltiger Produktionsweisen in der Industrie und ein bewussteres Konsumverhalten. Denn die Gesundheit unseres Planeten und unsere eigene sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das „One Health“-Prinzip ist entscheidend: Die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt sind untrennbar miteinander verbunden.
  • Globale Krisen wie Klimawandel, Wasserknappheit und Umweltverschmutzung sind direkte Treiber für Gesundheitsrisiken – auch in Deutschland.
  • Unsere Konsum- und Wirtschaftsweisen haben globale Auswirkungen und erfordern eine systemische Verantwortung, die über reine Entwicklungshilfe hinausgeht.

Planet am Wendepunkt: Die wissenschaftlichen Fakten hinter den größten Umweltkrisen unserer Zeit

Die in diesem Artikel beleuchteten Krisen sind keine voneinander losgelösten Einzelereignisse. Sie sind Symptome einer umfassenderen, systemischen Krise: Unser Planet hat mehrere kritische Belastungsgrenzen, sogenannte „Tipping Points“, erreicht oder bereits überschritten. Die Wissenschaft ist sich einig, dass die Stabilität der Erdsysteme, von denen unser Überleben und unsere Gesundheit abhängen, ernsthaft gefährdet ist. Dies betrifft nicht nur das Klima, sondern auch die Biodiversität, die Süßwasserressourcen und die chemische Belastung der Umwelt.

Diese wissenschaftliche Erkenntnis hat weitreichende Konsequenzen. Sie bedeutet, dass ein „Weiter so“ keine Option ist. Ein reaktiver Ansatz, der nur auf die Symptome reagiert – sei es mit Impfstoffen, Deichen oder Medikamenten –, wird den sich gegenseitig verstärkenden Krisen nicht mehr gerecht. Was es braucht, ist ein fundamentaler Wandel hin zu einer präventiven und systemischen Politik, die die planetaren Leitplanken respektiert. Gesundheit muss als Ergebnis eines intakten Ökosystems verstanden werden. Jede Tonne CO₂, die wir einsparen, jeder Hektar Wald, den wir schützen, und jedes Kilogramm Gift, das wir vermeiden, ist aktive Gesundheitspolitik.

Diese Verantwortung ist nicht nur eine moralische, sondern zunehmend auch eine rechtliche. In einem historischen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Verantwortung des Staates für zukünftige Generationen festgeschrieben.

Das Klimaurteil von 2021 ist ein juristischer Wendepunkt, der die Verantwortung des Staates für zukünftige Generationen und deren Recht auf Gesundheit festschreibt.

– Bundesverfassungsgericht, Analyse des historischen Klimaurteils

Dieses Urteil macht klar: Der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist kein politisches „Nice-to-have“, sondern eine verfassungsrechtliche Pflicht. Die Gesundheit von morgen wird heute entschieden – durch eine Politik, die die wissenschaftlichen Fakten ernst nimmt und die untrennbare Verbindung von Mensch, Planet und Gesundheit in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt.

Der erste Schritt zur Veränderung ist ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge. Beginnen Sie damit, diese systemische Perspektive in Diskussionen einzubringen und politische Entscheidungen daran zu messen, ob sie der Komplexität unserer vernetzten Welt gerecht werden.

Fragen und Antworten zu Gift in unserer Umwelt: Die unsichtbare Bedrohung durch chemische Verschmutzung

Was sind PFAS und warum werden sie ‚ewige Chemikalien‘ genannt?

PFAS sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, die aufgrund ihrer extremen Stabilität praktisch nicht abgebaut werden und sich dauerhaft in Umwelt und Organismen anreichern.

Welche Gesundheitsrisiken sind mit PFAS verbunden?

PFAS können das Immunsystem schwächen, die Wirksamkeit von Impfungen reduzieren, zu erhöhten Cholesterinwerten führen und stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.

Wie kann ich meine PFAS-Belastung reduzieren?

Vermeidung von beschichteten Pfannen, wasserabweisenden Textilien und bestimmten Verpackungsmaterialien kann die persönliche PFAS-Exposition verringern.

Geschrieben von Johanna Weber, Johanna Weber ist eine ganzheitliche Gesundheitsberaterin und Präventivmedizinerin mit 12 Jahren Praxiserfahrung. Sie ist spezialisiert auf die Entwicklung nachhaltiger Gesundheitsgewohnheiten zur Steigerung der Lebensqualität.